von Eberhard Bons
Eine erste, dem Herrenhof zugehörige Kirche ist nicht nachgewiesen, kann aber schon für das 9. Jh. angenommen werden. […]

Eine zweite Kirche im Stil der Kölner romanischen Landkirchen wurde im 12. Jahrhundert errichtet. In der Gotik wurde im 14. Jh. zunächst das südliche Seitenschiff mit dem charakteristischen Dachreiter erneuert und Anfang des 16. Jahrhunderts die älteren Teile ebenfalls im gotischen Stil verändert. Im 19. Jh. genügte diese Kirche mit dem erhalten gebliebenen romanischen Turm dem Zuwachs der Bevölkerung nicht mehr. Sie wurde, nachdem der Kirchenneubau beschlossen worden war, in den Monaten Januar und Februar 1897 abgebrochen und das Inventar entfernt, soweit es nicht für den in gotischen Formen zu errichtenden Nachfolgebau als passend erschien. Ein kleiner Teil der Einrichtung konnte vom kunstsinnigen „Malbauern“ Grefertz vor der Vernichtung bewahrt werden. […]
Der Neubau der jetzigen Kirche wurde in der auch für heutige Verhältnisse kurzen Zeit von eineinhalb Jahren verwirklicht. Entwurf, Bauleitung und Bauaufsicht waren dem Düsseldorfer Architekten Prof. Josef Kleesattel übertragen worden, der im Anrather Umfeld schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Reihe von Kirchen errichtet hatte und auf diesem Gebiet als erfahren galt.
In seinen Formen griff Kleesattel auf die gotische Baukunst des Mittelalters zurück, die mit der Wiederaufnahme der Bauarbeiten zur Vollendung des Kölner Domes besonders im Rheinland in Mode gekommen war. Diese, später Neugotik genannt, geriet um die Zeit des Ersten Weltkrieges in Verruf; heute, nachdem im Zweiten Weltkrieg viele neugotische Kirchen zerstört oder entstellend wiederaufgebaut wurden, wird diesem Baustil durchaus eine Eigenständigkeit zuerkannt.
Unsere am 30. Oktober 1898 geweihte Kirche ist eine dreischiffige neugotische Backsteinhalle in sechs Jochen, Chorjoch und fünfseitigem Schluss im Hauptchor. Der vierseitige, schräggestellte Schluss der Seitenschiffe (4/8 – Chor) mit je eigenem Pyramidendach. Vorspringendes Querschiff, zweischiffig, nur an der Nordseite ausgeführt, gerader Abschluss. Im Winkel zwischen Querschiff und Nordchor die dreiseitig schließende Johanneskapelle. Kreuzwegkapelle (ehemals Taufkapelle) an der Nordwestecke mit 5/8 – Chor. Die Joche der Seitenschiffe haben je ein eigenes Querwalmdach. Der fünfgeschossige, zur Hälfte eingezogene Turm endet im Glockengeschoss in spitzen Giebeln, darüber reich gegliederte Galerie und achtseitiger spitzer Helm. In den Winkeln zwischen Turm und westlichen Seitenschiffenden dreigeschossige Treppentürmchen, sechseckig, teilweise in Turm und Kirche eingebaut, mit Pyramidendächern. Über der Vierung sechseckiger modernisierter Dachreiter; Sakristeianbau an der Südostecke. Vier Portale mit Wimpergen und grotesken Figuren, an der Südseite einfaches Portal. Über dem Hauptportal Radfenster in Rosenform, bei den übrigen Fenstern reiches Maßwerk. Außenwände durch flache Strebepfeiler gegliedert.

Innen tragen hohe Bündelpfeiler das spitzbogige Kreuzrippengewölbe. In zwei Wandpfeilern der Nord- und Südseite je zwei achteckige Säulchen der Vorgängerkirche aus Drachenfels-Quarzit eingefügt. Im Westen polygonal vorspringende, ehemalige Orgelbühne mit Maßwerk und Engelskulpturen. Die Glasmalereien der Fenster im wesentlichen aus der Erbauungszeit der Kirche, vier Seitenschifffenster enthalten innerhalb der alten Teppichmuster je eine figürliche Darstellung (Entwurf: Wilhelm Teuwen, Anrath). Sieben Fenster der Seitenschiffe nach Kriegszerstörung erneuert (Entwurf: Plum, Mainz).
Nach hundert Jahren ist die Kirche weitgehend im Urzustand erhalten. Natürlicher Verschleiß, Beseitigung der Kriegsschäden, veränderter Zeitgeschmack und die Umsetzung der Richtlinien in der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben jedoch teilweise in die Bausubstanz eingegriffen. Bei der folgenden, sich auf die wichtigsten Veränderungen beschränkenden Darstellung bleiben der Ersatz von verbrauchtem Material in gleicher Form außer Erwähnung: In den Jahren 1916 bis 1935 mussten sukzessiv sämtliche 20 Fialen des Kirchturms und das Giebelkreuz auf dem Querschiff entfernt werden, weil das Material zu weich war und die Armierung nicht ausreichte. Ersatz wurde nicht geschaffen.
Aus dem inzwischen vergriffenen Führer „Pfarrkirche St. Johannes Anrath“, herausgegeben vom Bürgerverein Anrath e.V.
Ausführlichere Informationen sind jedoch verfügbar auf der Webseite des Kirchbauvereins St. Johannes Baptist Anrath e.V. www.kirchbauverein-anrath.de
Aus der Beschreibung der Denkmalbehörde:
Denkmal-Nr. | 16 |
Baujahr | 1898 |
Eintragung als Denkmal | 28.03.1984 |
Denkmalbeschreibung | Diese dreischiffige, neugotische Backstein-Hallenkirche mit leicht vorgezogenem Westturm, Querdächern, Dachreiter und polygonalem Chor mit Nebenkapellen wurde 1897/98 von Prof. Kleesattel errichtet. Fast sämtliche Fenster stammen noch aus der Entstehungszeit der Kirche, nur einige sind erneuert worden. Untrennbar mit dem Denkmal verbunden ist die historische Innenausstattung. Hervorzuheben sind insbesondere die spätgotische Kreuzigungsgruppe, verschiedene Heiligenfiguren, wie die des Pfarrpatrons Johannes d. T. des hl. Apostels Matthias, weiterhin der noch vorhandene Teil des alten Hochaltars, der Taufstein, die Johannesschüssel mit Reliquiar des Johannes d. T, verschiedene Weihrauchfässchen mit Schiffchen, darunter eines aus dem Jahre 1758. |
