Anrath im Jahre 1833

Aus dem Heimatbuch 1999 – von Udo Holzenthal

Gasthaus “Zum alten Zoll” Geschwister Kuhles,
Schottelstr., ca. 1905

Im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf findet sich eine Schrift, die im weitesten Sinne als Vorgängerin des heutigen Telefonbuchs zu sehen ist. Dabei handelt es sich um das “Offizielle Adressbuch für Rheinland-Westfalen”, das im Jahre 1833 “Zum Vorteil armer Kranken” von Ruttger Brüning herausgegeben wurde und auch einen Abschnitt über Anrath enthält.

So bekommen wir einen interessanten Einblick in die Anrather Verhältnisse zur damaligen Zeit. Werfen wir also einen Blick zurück:

Im Jahre 1833 hieß Anrath vorübergehend noch Kleinkempen, dies sollte sich erst 1840 wieder ändern. Seit nunmehr 18 Jahren war der Ort preußisch und gehörte – wie auch Willich – zum Kreis Krefeld, während Schiefbahn und Neersen noch im Kreis Gladbach lagen.

Der vom preußischen Staat eingesetzte Bürgermeister hieß Nikolaus Kirschkamp, der zusätzlich die Bürgermeisterei Willich verwaltete. Unterstützt wurde er von den Beigeordneten Hörren, Schlösser und Schmitz. Nur mühsam gewöhnte sich die rheinische Bevölkerung an die neuen Herren, hatte man doch von den zahlreichen Liberalisierungen der Franzosen profitiert. Außerdem harmonisierten die katholischen Rheinländer und die evangelischen Preußen nicht so recht miteinander. Viele wünschten sich noch in dieser Zeit den KöIner Erzbischof als Landesherren zurück.

Historische Aufnahme vom Hotel Baaken, Viersener Straße

Anrath war immer noch vom alten Dorfgraben umgeben, außerhalb dessen es keine geschlossene Bebauung, sondern nur einzelne Hauser und Höfe gab. Entsprechend niedrig war auch noch die Einwohnerzahl, sie betrug knapp 2.200. Bis zur Jahrhundertwende sollte sie sich verdoppelt haben. Die Bevölkerung war bis auf circa 80 Juden rein katholisch. Protestanten waren noch Fehlanzeige. Von den jüdischen Familien war vor allem die Familie Servos bekannt, die sowohl einen Viehhandel als auch eine Metzgerei besaß.

Der weitaus größte Teil der Anrather arbeitete als Hausweber. daneben gab es noch zahlreiche Landwirte und in deren Gefolge Knechte, Mägde und Tagelöhner. Handwerker und vor allem Handler gab es dagegen weniger. Das Wohl und Wehe der Gemeinde Anrath hing also von Landwirtschaft und Seidenweberei ab. Ein Zustand, der sich im 19. Jahrhundert nicht mehr andern sollte.

Betrachten wir nun anhand der Vorabinformationen das Adressbuch. Natürlich handelt es sich hierbei nicht um ein Verzeichnis sämtlicher Bürger, enthält die Liste doch nur 36 Namen, wohingegen Anrath zu diesem Zeitpunkt – wie schon erwähnt – um die 2.200 Einwohner hatte.

Es ist mehr als ein Verzeichnis der wichtigen Personen, oder wie es neudeutsch heißt: “Who is Who” des Ortes zu verstehen. Umfaßt es neben Bürgermeister, Beigeordneten und Geistlichen doch vor allem Händler, Handwerker und Landwirte. Wir finden hier die damaligen Besitzer noch heute bekannter Höfe und Gaststatten, als Beispiele seien der HüIsdonkhof, die Gaststatte ,Zum alten Zoll” und das Hotel Baaken genannt, oder aber Familiennamen, die nachwievor in Anrath einen guten Klang haben. Betrachten wir das Verzeichnis als eine Quelle für die soziale Zusammensetzung der Anrather Bevölkerung in einer Zeit, die geprägt war von der mühsamen Integration in den preußischen Staat und von der wirtschaftlichen “Monokultur” der Hausweberei.

  1. Johann Laurenz Becker, Gemeinderat, Ellenwarenhandel
  2. Matthias Becker, Spezerei und Ellenwarenhandel
  3. Witwe Matthias Bodewich, Ellenwarenhandel, Spezereihandel
  4. Matthias Brockmann, Gemeinderat, Oekonomie- u. Spezereiwarenhandel
  5. Johann Buren, Gastwirtschaft
  6. Brühl, Vikarius
  7. Josef Genings, Rentner
  8. Peter Gordans, Von der kgl. Regierung als qualifiziert anerkannter Zimmermeister
  9. Johann Hammes, Gastwirt und Branntweinbrenner
  10. Johann Peter Harbusch, Von der kgl. Regierung als qualifiziert anerkannter Zimmermeister
  11. Johann Heinrich Hören, Gastwirt und Branntweinbrenner
  12. Matthias Hornungs, Gastwirt und Branntweinbrenner
  13. Johann Peter Hörren, Schankwirt
  14. Peter Theodor Hörren, Erster Beigeordneter
  15. Nikolaus Kirschkamp, Bürgermeister von Willich und Kleinkempen
  16. Ludwig Kluth, Oekonom und Branntweinbrenner
  17. Johann Peter Langenfelds, Oekonom und Branntweinbrenner
  18. Gottfried Nießen, Vikarius
  19. Jakob Pannen, Schenkwirtschaft
  20. Tilman Pescher, Spezerei und Ellenwarenhandel
  21. Anton Plattes, Oekonom und Branntweinbrennerei
  22. Michael Queeder, Fruchtmakler
  23. Johann Matthias Schaeffer, Gemeinderat, von der kgl. Regierung als qualifiziert anerkannter Zimmermeister
  24. Witwe Michael Schelges, Blaufärberei und Druckerei
  25. Johann Peter Scherges, von der kgl. Regierung als qualifiziert anerkannter Zimmermeister
  26. Ludwig Schiffer, Pfarrer
  27. Johann Schlösser, 2. Beigeordneter und Oekonom
  28. Matthias Schmitz, 3. Beigeordneter und Branntweinbrenner
  29. Witwe Peter Schmitz
  30. Peter Johann Schütwinkels, Spezerei und Ellenwarenhandel
  31. Abraham Servos, Hornvieh- und Pferdehandel, auch Metzger
  32. Benjamin Servos, Metzger
  33. Johann Gottfried Spennes, Gastwirtschaft
  34. Franz Van Kempen, Lehrer
  35. Engelbert Wammers, Schenkwirtschaft
  36. Heinrich Wammers, von der kgl. Regierung als qualifiziert anerkannter Maurermeister