1758: Die Schlacht an der Hückels Mey

(Hierzu heißt es in der historischen Literatur immer „die Schlachten bei Krefeld“. Sie betrafen aber überwiegend die damaligen Gemeinden Anrath und St. Tönis.)
Quelle: Rheinische Post vom 22.05.2010 – von Jens Voss

23. Juni 1758: In Europa herrscht der Siebenjährige Krieg (1756 – 1763), der ein Weltkrieg war. Preußen kämpfte, unterstützt von England, gegen Frankreich, Österreich und Russland; es ging ebenso um Kolonien in Nordamerika, Indien und der Karibik – auch dort wurde geschossen. Anlass war die Eroberung der österreichische Provinz Schlesien durch Preußens König Friedrich II.; es ging aber wie so oft in Europa auch um die Machtbalance zwischen den Großmächten.

Hückels May
Mey (heute May) bedeutet Durchlass. Gemeint sind Durchlässe der Landwehr, einer militärische Grenzwall-Anlage. Die Wälle waren mit Strauchwerk bewachsen, das ständig durch Umbiegen von Ästen verdichtet wurde. Zuständig für die Pflege waren „Baumschließer“. Sie lebten auf Landgütern an einem Durchlass; die Meyen trugen ihre Namen. Einer davon war Hückels.

In den Wirren dieses Krieges standen sich im Juni 1758 bei Krefeld ein 47 000 Mann starkes Heer der Franzosen und eine 30 500 Mann starke Armee der Preußen gegenüber. Es war eine grandiose Finte, mit der der preußische Feldherr Ferdinand von Braunschweig die überlegenen Franzosen täuschte und am Ende vernichtend schlug. Voller Respekt schreibt 1837 der Militärhistoriker Karl von Decker: „Wenn ein solches Manöver gut abläuft, so müssen Zeichen und Wunder geschehen, und diese geschahen auch wirklich.“ Die Finte also: Die Franzosen lagerten entlang der Landwehr (die heute noch in Resten erhalten ist) zwischen Fischeln und Anrath. Die Preußen hatten nordwestlich davon, Richtung St. Tönis, ihr Lager aufgeschlagen. Der französische Oberkommandierende – Prinz von Clermont – erwartete einen Angriff von Norden, von Krefeld her, da er das Gelände am anderen Ende – dort, wo die Holterhöfe sind – für unpassierbar hielt. Ganz falsch war die Einschätzung nicht, das Gelände war wirklich nichts für eine Armee. Decker beschreibt es so: „Das Terrain bei Crefeld kann nicht ungünstiger für die damalige Fechtart gefunden werden. Die Gegend ist zwar eine vollkommene Ebene, aber mit Gräben durchschnitten und mit Hecken, Bäumen und einzelnen Gebüschen besetzt, so daß man nirgends eine freie Aussicht hat.“
Preußische Infanterie greift an: Regimentsfahne (mit Löwe im Zentrum) und blaue Uniformen weisen auf Truppen von Prinz Ferdinand von Braunschweig hin. Aus dem Diorama in der Gaststätte Hückels May. Foto: Thomas Lammertz

Preußische Infanterie greift an: Regimentsfahne (mit Löwe im Zentrum) und blaue Uniformen weisen auf Truppen von Prinz Ferdinand von Braunschweig hin. Aus dem Diorama in der Gaststätte Hückels May. Foto: Thomas Lammertz

Doch Ferdinand tat, womit niemand rechnete: Er erkundete das Gelände vom Kirchturm in St. Tönis aus und schmiedete einen verwegenen Plan. Er beschloss, die Franzosen in weitem Bogen von Süden her, vorbei an Vorst und Anrath, zu umgehen und von hinten anzugreifen. Parallel dazu wollte er den Feind zum Schein auch von dort angreifen, wo Clermont den Angriff erwartete: von Norden. Das Ablenkungsmanöver gelang.

Ferdinand ging hohe Risiken ein: Er drittelte seine Armee, und es war keineswegs sicher, dass sein Gewaltmarsch zum Ziel führte – noch einmal Decker: „Der Herzog hatte auf seinem Umgehungsmarsch mit den unsäglichsten Schwierigkeiten zu kämpfen und musste häufig die Wege für die Kavallerie und Artillerie erst durch Gebüsche und Hecken brechen und bahnen lassen. Er ging bei St. Antonius und Steinheide vorbei, passierte das enge Defilee (Anmerkung der Red.: entlehnt vom französischen défilé – Hohlweg) von Berschel, ließ Anrad rechts liegen, und stand endlich nach einem zehnstündigen Marsche bei Stormshof im Rücken des Feindes.“

Hätte Clermont das Manöver durchschaut und begriffen, dass die Kräfte, die ihn von Norden angriffen, nur schwach waren – er hätte ein Massaker anrichten können. So aber begriff er nichts, verzichtete sogar auf Aufklärung an der Südflanke seiner Lagers – und bemerkte nichts von der tödlichen Gefahr im Rücken seiner Truppen.

So elegant, so kühn die Täuschung war, wenn man sie auf Skizzen nachvollzieht, so blutig war die Schlacht. Die Franzosen kämpften tapfer; Decker, selbst Soldat, erkennt das an: „Die Franzosen können sich nicht schlecht geschlagen haben“, resümiert er mit Blick auf stundenlange Einzelgefechte. Gegen 19 Uhr ist es vorbei; die Franzosen fliehen Richtung Neuss. Karl von Decker schließt seine Beschreibung mit den Worten: „Die Franzosen verloren gegen 4000 Mann und nur drei Kanonen, was ihrer Thätigkeit alle Ehre macht; der Verlust der Alliierten betrug 1700 Mann.“

Trotz des glanzvollen Sieges: Kriegsentscheidend war die Schlacht nicht. Die Preußen wüteten, als sie die Franzosen verfolgten, wie Feinde: plünderten Willich, Fischeln, Osterath und Kaarst. Es heißt: Als 100 Jahre später – 1858 – das Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht enthüllt wurde, verzichteten die Fischelner auf die Teilnahme. Sie erinnerten sich nicht an den Glanz des Sieges, sondern an die Not des Krieges.