Teil 4

13. Anrath in der Nachkriegszeit
14. Anrath in der Stadt Willich
15. Brauchtum und Vereinsleben


13. Anrath in der Nachkriegszeit

Tafel 30: Nachkriegszeit

Die Not der Nachkriegsjahre

Zum Zeitpunkt der Besetzung im März 1945 hatte Anrath nur noch 4.150 Einwohner. Ende des Jahres war die Zahl durch Rückkehrer und entlassene Kriegsgefangene auf 5.147 gestiegen – das entsprach dem Stand von 1933.

Die ganze Bevölkerung litt unter der allgemeinen Lebensmittelknappheit. Nur 10% der Einwohner, vor allem die Landwirte, galten als Selbstversorger. Die übrigen 90% erhielten die “Lebensmittelkarten für Normalverbraucher”. Viele Anrather mussten hungern, daran konnte auch die von der Gemeinde nach Kriegsende eingerichtete Volksküche nicht viel ändern. Besonders schlecht war die Versorgung mit Kartoffeln, da nur 1/5 dieses Grundnahrungsmittels aus der eigenen Landwirtschaft bezogen werden konnte . Erst mit der Währungsreform verbesserte sich die Lage, gab es genügend Kartoffeln für alle, und Weihnachten 1948 fanden sich endlich wieder ausreichend Brot, Mehl und Fleisch auf den Tischen der Anrather. Das nächste große Problem war der Mangel an Brennstoffen: Da der Kreis Kempen-Krefeld nicht als Notstandsgebiet galt, erhielt er keine Zuweisungen. Und ein Wäldchen, in dem sich die Bevölkerung hätte selbst versorgen können, das gab es in Anrath nicht.

Die Gemeinde war vom Luftkrieg kaum betroffen. Insgesamt wurden 13 Häuser zerstört und 33 schwer beschädigt, die vielen leicht beschädigten Häuser wurden bis 1947 zum größten Teil wieder instand gesetzt. Der vorhandene Hausbestand reichte jedoch bei weitem nicht aus, um die zahlreichen Flüchtlinge und Vertriebenen aus den Ostgebieten aufzunehmen. Folglich versuchte die Gemeinde, den Bau von Volkswohnungen und Siedlungshäusern zu forcieren, wurde aber durch den Mangel an Baumaterialien schlichtweg ausgebremst. Erst gegen Ende der 1950er Jahre begannen Wohnungsgesellschaften und Privatunternehmer mit dem Bau von rund 70 Wohnungen als Eigenheime bzw. Mietwohnungen.

Angesichts dieser Probleme wundert es nicht, dass 1947 48% aller Haushaltsgelder in die Fürsorge flossen. Ein Jahr später mussten immer noch 717 Personen unterstützt werden, also 12% der Bevölkerung. Erst 1949 besserte sich die Lage: Unterstützungsempfänger fanden in der örtlichen Industrie Arbeit, das Soforthilfegesetz gewährte Unterhaltshilfe, Angehörige von Vermissten erhalten Hinterbliebenenrente, und schließlich entwickelt sich die Beschäftigungslage in der örtlichen Textilindustrie günstig. Das Leben in Anrath normalisierte sich.

Rückkehr zur Demokratie

Nach der Besetzung Anraths führte Gemeindeinspektor Corsten die Amtsgeschäfte, im Mai 1945 wurde der Krefelder Handelslehrer Erich Schmitz zum Bürgermeister ernannt.

Anfang 1946 war es dann soweit: Die Militärregierung ernannte einen aus honorigen Personen bestehenden Gemeinderat: in dem 18köpfigen Gremium, welches am 3.Januar erstmals tagte, saßen Vertreter von CDU, Zentrum, SPD und KPD.

Die Briten übertrugen “ihre” Gemeindeordnung auf die Besatzungszone. So war der Bürgermeister fortan nicht mehr ein vom Staat ernannter Beamter, sondern wurde vom Gemeinderat periodisch gewählt. Er übernahm ehrenamtliche Aufgaben, während die Verwaltung von einem hauptamtlichen Direktor geleitet wurde, der ebenfalls vom Rat periodisch zu wählen war.

Am 15.September 1946 fanden die ersten Kommunalwahlen statt: Dabei erhielt die CDU 13 von 15 Sitzen im neuen Gemeinderat, Zentrum und SPD jeweils einen. Zum Bürgermeister wurde Willi Krebs von der CDU gewählt. Er sollte dieses Amt die folgenden 23 Jahre lang ausüben.

Bei der Kommunalwahl vom 15. September 1946 erhielt die CDU 13 von 15 Sitzen im Gemeinderat, jeweils einen erhielten SPD und Zentrum. Bei den Gemeinderatswahlen am 17. Oktober 1948 erhalten CDU und Zentrum jeweils fünf Sitze, die SPD zwei.

Stunde Null.
Am Anrather Rathaus werden nach dem Einmarsch der Amerikaner die letzten Durchhalteparolen der Nationalsozialisten entfernt
Willi Krebs wurde als Sohn des Fabrikanten Jakob Krebs 1898 in Mönchengladbach geboren. Anfang der 1920er Jahre trat er in das väterliche Unternehmen ein und folgte seinem Vater in der Firmenleitung der Tuchfabrik.
Am 3.Januar 1946 wurde Willi Krebs von der Militärregierung in den Anrather Gemeinderat berufen. Bereits ein halbes Jahr später, am 1.Oktober 1946, wählte ihn der Rat zum Bürgermeister, dieses Amt führte er bis zu seinem Tod 1969. Kurz nach der Vollendung des 70.Lebensjahres wurden ihm am 7.12.1968 die Ehrenbürgerrechte Anraths verliehen.
Am 24.7.1947 wurden große Teile der Tuchfabrik Jakob Krebs durch einen Großbrand zerstört. Die gesamten Vorbereitungsabteilungen wie Zwirnerei, Nöpperei und Trockenappretur wurden vernichtet. Verschont blieben dagegen Weberei und Färberei. Erst ein Jahr später waren die Schäden endgültig beseitigt.
Schulspeisung auf dem Schulhof der Anrather Alleeschule, oben 1948, unten 1950. Dank der Schulspeisungen erhielt jedes Kind wenigstens einmal am Tag eine warme Mahlzeit.
Ein besonderes Fest war in jeder Gemeinde die Weihe der neuen Kirchenglocken – die alten waren im Rahmen der Kriegswirtschaft abgenommen und eingeschmolzen worden. In Anrath fand dieses Ereignis am 11.Oktober 1948 statt.
Auf dem Weg in eine bessere Zukunft: Weihnachten 1951 auf dem Anrather Kirchplatz.

Tafel 31: Flüchtlinge und Vertriebene

Neue Heimat Anrath

Schon 1945 kamen die ersten Flüchtlinge aus den Ostgebieten nach Anrath. Um ihnen wenigstens ein Dach über dem Kopf zu bieten, richtete die Gemeinde drei Aufnahmelager ein: die Josefshalle, den Saal des Hotels Baaken auf der Viersener Straße und den Saal der Gaststätte Wickum auf der heutigen Jakob-Krebs-Straße. Natürlich versuchte die Gemeinde, den Betroffenen rasch anderweitigen Wohnraum zu verschaffen, was sich jedoch als ein schwieriges Unterfangen herausstellte. So blieben die drei Aufnahmelager bis 1953 ununterbrochen belegt. Erst Mitte der 50er Jahre konnte die Wohnungsnot gelindert werden, vor allem durch den Bau der “Schlesiersiedlung” in der Donk.

Das Gesicht der Gemeinde wandelte sich durch die Neuankömmlinge: So lebten im Jahre 1950 1.059 Flüchtlinge und Vertriebene in Anrath, im November 1954 waren es mehr als 1.200. Damit kamen rund 14% der Anrather Bevölkerung aus den ehemaligen Ostgebieten.

Auch die konfessionelle Landkarte zeigte ein völlig verändertes Bild: Lebten 1946 in Anrath 5.408 Katholiken und 786 Evangelische, so waren es 1961 6.094 Katholiken und 1.893 Evangelische.

Bereits in den 1940er Jahren begannen sich die Vertriebenen zu organisieren: So wurde 1947 unter Führung von Heinrich Klink die Interessengemeinschaft der Ostvertriebenen gegründet. Dieser Gemeinschaft standen für die Ost- und Westpreußen, Pommern und Danziger Georg Lubiewski, für die Schlesier und Sudetendeutschen Walter Perseke vor. Später erhielt der Verband seine heutige Bezeichnung Bund der Vertriebenen.

Die Schlesiersiedlung in der Donk

Um der großen Wohnraumnot entgegen zu treten, verabschiedete das Land Nordrhein-Westfalen 1949 eine Bodenreform, nach der Großgrundbesitzer verpflichtet wurden, einen Teil ihrer Grundstücke zu günstigen Preisen zu veräußern. So erwarb die Deutsche Bauernsiedlung in der Donk Ländereien vom Rittergut Haus Broich und der Gemeinde Anrath – insgesamt über elf Hektar – und errichtete dort 38 Nebenerwerbsstellen.

Die rund ein Morgen großen Grundstücke dienten vor allem der Selbstversorgung ihrer Bewohner. Folglich wurden jene Bewerber bevorzugt, die vor dem Krieg entweder selbst Landwirte oder aber in der Landwirtschaft tätig waren. Im Juli 1953 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Die meisten Häuser konnten bis Juni 1954 bezogen werden, die letzten im Dezember 1955. Mit Hilfe des Wohnungsamtes wurden die Siedlerstellen berechtigten Personen zugeteilt: 36 Siedlerfamilien kamen aus den Ostgebieten, eine aus Brandenburg und eine aus Anrath.

Die in der Nachkriegszeit geringen Einkünfte zwangen viele Siedler dazu, die Familie durch selbst angebaute Erzeugnisse zu ernähren. Zur Bearbeitung des Landes wurde deshalb ein 10 PS starker Einachsschlepper angeschafft, der noch viele Jahrzehnte später genutzt wurde. Da jedes Haus über einen Stall verfügte, betrieben die Siedler eine intensive Viehhaltung – so verfügte die Siedlung anfangs über 379 Hühner, 33 Schweine, 60 Gänse und sechs Ziegen.

Das größte der drei Anrather Aufnahmelager war die Josefshalle, hier auf einem Bild aus dem Jahre 1959.
Die Familie Bohn vor der Flüchtlingsbaracke am Mertensweg, 1955
Gruppenbild der Flüchtlinge und Vertriebenen vor der Josefshalle, ca.1950
Ferdinand Missall beim Pflügen mit dem Einachsschlepper. Das Gerät wurde von der Deutschen Bauernsiedlung angeschafft
oben: Entwurf der Anrather “Schlesier-Siedlung” von 1953.
unten: Das Luftbild aus dem Jahre 1955 zeigt die zum großen Teil fertig bebaute Siedlung mit ihren großen Grundstücken.
Die Anrather Vertriebenen gründeten eine eigene Theatergruppe, das Bild zeigt die Mitglieder im Jahre 1950.

Tafel 32: Infrastruktur

Es geht aufwärts

1953 sprach Gemeindedirektor Teschen erstmals von einer Normalisierung der wirtschaftlichen Lage Anraths – die Zahl der Fürsorgeempfänger war auf 90 geschrumpft, die desolate Wohnungssituation hatte sich durch den Bau der Schlesiersiedlung in der Donk entspannt. Jetzt konnte sich die Gemeinde dem dringenden Ausbau der Infrastruktur widmen.

Im Wortlaut:

Wirtschaftswunder haben vielleicht andernorts vorgeherrscht, bei uns hat nur ein Zipfel erhascht werden können.Gemeindedirektor Peter Titgens, 1967

Vor allem benötigte die Gemeinde weiteren Schulraum; sowohl die Alleeschule als auch die 1948 gegründete Evangelische Volksschule an der Neersener Straße platzten aus allen Nähten. So hatte der Rat bereits Ende 1950 den Bau einer neuen Volksschule an den “Hissen Benden” beschlossen – der Johannesschule. Der erste Bauabschnitt wurde im Winter 1951/1952 vollendet, die Einweihung erfolgte bereits am 31.7.1952. Da Mitte der 50er Jahre die Schülerzahl die Schülerzahlen der Evangelischen Volksschule geradezu explodierten, beschloss der Gemeinderat 1957 einen Neubau am alten Vikariekirchweg. Am 23.September 1959 konnte die heutige Albert-Schweitzer-Schule eingeweiht werden.

Natürlich versuchte die Gemeinde auch, in Anrath neue Betriebe anzusiedeln, war damit aber wenig erfolgreich. Der einzige “dicke Fisch” war die Firma Schmitz&Co. Das Unternehmen stellte Federeinlagen für die Polstermöbel- und Matratzenindustrie sowie Stahldrahtmatratzen für Betten her. 1961 verlagerte es seine Produktionsstätten von Ratingen nach Anrath. Weitere interessierte Betriebe sahen von einer Ansiedlung ab, da sie in der Gemeinde nicht genug Fachkräfte vorfanden. Grund für diesen Mangel waren die höheren Verdienstmöglichkeiten in den nahen Großstädten.

So blieben die Tuchfabrik Jakob Krebs und die Anrather Verseidag die mit Abstand größten Arbeitgeber vor Ort und die Gemeinde abhängig vom Wohl und Wehe der Textilindustrie. Deren Niedergang zeichnete sich aber Ende der 1950er Jahre bereits deutlich ab.

Die Autowerkstatt Breuer im Jahre 1955.
Während es der Gemeinde nach dem Krieg kaum gelang, große Konzerne im Ort anzusiedeln, entwickelten sich viele mittelständische Betriebe prächtig – so die Werkstatt von Willi Breuer, der zwischen 1950 und 1976 mehrfach expandierte.
Gruppenbild des Anrather Gemeinderats aus dem Jahre 1960. In der Bildmitte Bürgermeister Willi Krebs, Vierter von links Gemeindedirektor Peter Titgens.
oben: Luftbild der Johannesschule aus dem Jahre ca. 1955
Im Rahmen der Schulreform von 1968 wurde die Johannesschule zur Gemeinschaftshauptschule. Sie überlebte als einzige das große Willicher “Hauptschulsterben” Anfang der 1990er Jahre. In den Jahren 1993, 1998 und 2005 wurde die Johannesschule dreimal erweitert.
unten: Johannesschule 1960
Die Säuglingsstation des Lorenz-Hospitals im Jahre 1960.
In diesem Jahrzehnt ging die Gemeinde Anrath noch von einer langfristigen Nutzung des Krankenhauses aus und investierte 600.000 DM in ein Schwesternwohnheim. Doch bereits Ende 1970 wurde das Krankenhaus geschlossen.
Luftbild der Albert-Schweitzer-Schule aus dem Jahre 1961.
Als die Evangelische Volksschule 1959 eingeweiht wurde, hieß sie noch Pestalozzischule. Ihren heutigen Namen erhielt sie im Jahre 1973. Bereits im Jahr zuvor wurde sie in eine Gemeinschafts-Grundschule umgewandelt.
Das erste Anrather Altenheim wurde 1906 im ehemaligen Wohnhaus von Lorenz Schmitz an der Viersener Straße gegründet, 1926 wurde es in das Nachbarhaus des Hotels Baaken verlegt. Aus Platzgründen wurde in den 1960er Jahren ein Neubau nötig, der 1964 an der Lorenz-Schmitz-Straße errichtet wurde. Das Foto entstand 1968.

Tafel 33

Straßenansichten vor 1955

14. Anrath in der Stadt Willich

Tafel 34

Gemeinderäte Anrath und Neersen
Unterzeichnung des Gebietsänderungsvertrages am 26. Januar 1969

Tafel 35

Die Kommunale Neugliederung

Ausgangspunkt war eine massive Landflucht in den späten 50er und frühen 60er Jahren – viele gerade jüngere Menschen wanderten in die Großstädte ab, weil sie in den Landgemeinden keine ausreichende Infrastruktur, vor allem aber keine Arbeitsplätze vorfanden. So war es das Ziel der Landesregierung, auch in den ländlichen Zonen ein bestmögliches Angebot an Arbeitsplätzen, Dienstleistungen und Ausbildungsmöglichkeiten in zumutbaren Entfernungen zu schaffen. Auf diese Weise sollte die Bevölkerung an den ländlichen Bereich gebunden und eine weitere Abwanderung in die Städte vermieden werden. Den Landesplanern schwebte eine ideale Gemeinde von mindestens 8.000 Einwohnern vor – dafür mussten zwangsläufig mehrere kleine Gemeinden in einer größeren Einheit aufgehen.

Im Wortlaut:

All unser Mühen und Trachten hat nicht den Erfolg gezeigt, dass aus den Gemeinden Anrath und Neersen eine neue, größere Gemeinde entstehen sollte. Nach der Entscheidung des Landtages hat unsere Gemeinde am 31.12.1969 aufgehört zu bestehen. So hart diese Tatsache auch ist – wir müssen sie hinnehmen.

Doch das, was in Jahrhunderten gewachsen und das Eigenleben der Gemeinde ausmachte, wird weiterhin Bestand haben.Buergermeister Josef Brockmanns, Neujahr 1970

Bereits der Gebietsentwicklungsplan des Kreises Kempen-Krefeld sah vor, dass Willich und Schiefbahn allmählich zu einer Einheit zusammenwachsen sollten, an der auch Neersen zu beteiligen war. Nicht so eindeutig stellte sich die Zuordnung der Gemeinde Anrath dar, die Verbindungen sowohl in Richtung Vorst wie auch in Richtung Neersen aufwies. Ende 1967 wurde bekannt, dass Oberkreisdirektor Rudolf Müller dem Regierungspräsidenten die Bildung der Großgemeinden Willich-Schiefbahn-Neersen und St.Tönis-Anrath-Vorst vorgeschlagen hatte.

Um diesen Plänen zuvorzukommen, beschlossen die Gemeinderäte von Neersen und Anrath am 24. Januar 1968 eine Vereinbarung, die auf einen Zusammenschluss beider Gemeinden hinauslief. Nur zwei Tage später unterzeichneten sie einen Gebietsänderungsvertrag, der am 1. Januar 1969 in Kraft treten und mit dem eine neue, Anrath-Neersen genannte Gemeinde mit rund 15.000 Einwohnern gebildet werden sollte.

Am 24. April 1968 machte eine mit der Kommunalen Neugliederung betraute Kommission eine Rundfahrt durch das heutige Stadtgebiet, auf der Regierungspräsident Bäumer den Zusammenschluss von Anrath, Neersen, Schiefbahn und Willich befürwortete. Das Modell Anrath-Neersen lehnte er dagegen ab. Endgültig zementiert wurde die “Viererlösung” durch das am 16.Dezember 1969 vom Landtag beschlossene Gesetz zur Neuordnung des Landkreises Kempen-Krefeld.

Sechszehn Tage später ging die Gemeinde Anrath in der neugebildeten Stadt Willich auf.

Tafel 36: Infrastruktur

Sie hatten einen Traum: Willi Krebs und Peter Titgens für Anrath sowie Johannes Wirtz und Bernhard Hüsers für Neersen unterzeichnen den Gebietsänderungsvertrag, mit dem “Anrath-Neersen” aus der Taufe gehoben wurde.
Die Bezirksregierung ignorierte das neue Gebilde und setzte den Zusammenschluss mit Willich und Schiefbahn durch.
Schuldezernent Dr.Spallek bei der Einweihung der Gottfried-Kricker-Schule am 25.Mai 1973. Die Planungen für den Bau einer neuen, zusätzlichen Grundschule in Anrath rührten bereits aus den 1960er Jahren, waren aber wegen der Kommunalen Neugliederung zurückgestellt worden.
Die Gaststätte “Zum Malbauern” (oben: Foto von 1914) in der Vennheide war eine Attraktion: Der Landwirt Heinrich Grefertz und sein Sohn Peter malten die Zimmer und Säle mit bäuerlichen und historischen Motiven aus. 1974 vernichtete ein Brand im Schankraum große Teile der Gaststätte. Letztlich entschieden die Eigentümer, von einem Wiederaufbau des Lokals abzusehen und es stattdessen abzureißen.
Im April 1976 wurde das 126 Jahre alte Bahnhofsgebäude abgerissen. Heute wirkt der Anrather Bahnhof recht spartanisch. Auf der anderen Seite ist Anrath der einzige Willicher Stadtteil, der noch von der Deutschen Bahn angefahren wird. Unten: Das Stellwerk 1991
Zu den bemerkenswertesten Gebäude Anraths gehört das aus dem frühen 18. Jahrhundert stammende Leutnantshaus am Kirchplatz. Die Spar- und Darlehenskasse (heute Volksbank) ließ ab 1983 in mühevoller Sanierungsarbeit das um die Jahrhundertwende verputzte Fachwerk wieder freilegen. Nach zwei Jahren waren die Arbeiten beendet.
Das Bild oben entstand im Frühjahr 1984. Es zeigt die Jakob-Krebs-Straße als eine enge, unattraktive Durchfahrtsstraße. Um diesen Zustand zu ändern, wurde sie in den Jahren 1984 bis 1986 im Bereich zwischen Kirchplatz und Gietherstraße in eine verkehrsberuhigte Zone umgebaut. (Bild unten von 1991) Seit 1992 ist der Bereich eine Fußgängerzone .
Auch die alte Mädchenschule an der Neersener Straße fiel dem Bagger zum Opfer – im Dezember 1990 wurde sie abgerissen. Da Anrath nach dem Bau der Gottfried-Kricker-Schule über zwei moderne Grundschulen verfügte, war ihr Schicksal besiegelt.
Seit der Kommunalen Neugliederung von 1970 forderten die Anrather den Bau einer modernen Mehrfach-Sporthalle. Es dauerte jedoch bis 1989, ehe der Stadrat endgültig den Bau einer Halle an der Fadheider Straße beschloss. Das Bild zeigt die Einweihung am 8.Mai 1992.
Das wohl spektakulärste Neubauprojekt nach der Kommunalen Neugliederung war der Bau eines Gymnasiums an der Hausbroicher Straße. Nach langer Diskussion beschloss der Stadtrat im Mai 1996 die Errichtung eines städtischen Gymnasiums. Es dauerte jedoch bis 2000, ehe die Schüler die nach der Physikerin Lise Meitner benannte Schule beziehen konnten.

15. Brauchtum und Vereinsleben

Tafel 37: Vereine

Schützenfest

1928

1992

1993

Karneval

Rosenmontagszug 1929

Tulpensonntagszug 1989

Aach Blenge 1996

Männerchor Orpheus 1863

1903

1985

Turnverein Anrath 1899

1921

1936

SC Viktoria 07 Anrath

1912

1986

Tafel 38: Prominente Anrather

Kornelius Feyen (1886-1957)

Der gebürtige Boisheimer Kornelius Feyen besuchte das Lehrerseminar in Odenkirchen und war anschließend in Moers und Rheydt als Lehrer beschäftigt.

1922 wechselte er auf eigenen Wunsch nach Anrath, wo er bis 1951 an der Alleeschule lehrte.

Er förderte das kulturelle Leben in Anrath durch sein Engagement für Chorgesang und Theaterspiel. So gründete er die Anrather Blaskapelle und war Dirigent des Musikvereins Anrath sowie des MGV Sängerbund.

Außerdem betätigte er sich als Landschaftsmaler, wobei seine Gemälde auch bei Fachleuten Anerkennung fanden.mehr zu Kornelius Feyen

Dr. Gottfried Kricker (1886-1972)

1886 wurde Gottfried Kricker auf dem Krickerhof in Anrath geboren. Er studierte in Heidelberg, Bonn, Münster und Berlin und nahm vier Jahre lang am Ersten Weltkrieg teil.

1919 ging er an die Universitäts- und Stadtbibliothek nach Köln und wurde bereits ein Jahr später Abteilungsleiter. Er machte sich dort vor allem mit Veröffentlichungen in Fachzeitschriften einen Namen.

1947 ging er in den vorzeitigen Ruhestand und zog zurück in seinen Heimatort Anrath. In den Folgejahren widmete er sich intensiv der Auswertung von Literatur und Quellen zur Geschichte Anraths.

1959 erschien dann die Essenz seiner Arbeit, die “Geschichte Anraths”, bis heute das Standardwerk zur Historie des Ortes. Bereits im Jahr darauf wurde er zum Ehrenbürger der Gemeinde Anrath ernannt.

1972 verstarb Kricker. Sein Vermögen vermachte er der Stadt Willich, aus dem Verkauf eines Hauses an der Bogenstraße errichtete die Stadt eine Stiftung zur Ausbildungsförderung für Anrather Oberschüler und Studenten.mehr zu Gottfried Kricker

Wilhelm Teuwen (1908-1967)

Seit 1926 besuchte Wilhelm Teuwen, Geselle im Anstreicherbetrieb seines Vaters, die Kunstgewerbeschule Krefeld, wo er den Maler Johan Thorn Prikker kennerlernte.

1929 nahm er das Studium an der Kunstakademie Düsseldorf auf, wo er in die Klasse für Dekorative Kunst eintrat, die damals vom renommierten Professor Heinrich Campendonk geleitet wurde. Diesem fiel er schon bald durch seine überragende Begabung sowie seine handwerkliche Tüchtigkeit auf.

Nach dem Krieg wurde Teuwen Professor und Leiter der Klasse für kirchliche Kunst und Glasmalerei an den Kölner Werkschulen. Daneben übernahm er zahlreiche Projekte, unter anderem am alten Düsseldorfer Landtag und im Kölner Gürzenich. 1956 gestaltete er vier Fenster in der Pfarrkirche seiner Heimat Anrath. Dabei fügte er in die Ornamente der Originalfenster figürliche Darstellungen ein.

Sein bekanntestes Werk war die Ausmalung des 21 Meter hohen und 9 Meter breiten Nordfensters im Querhaus des Kölner Doms. Das Projekt übernahm er 1956, es wurde aber erst nach seinem Tod fertiggestellt.mehr zu Wilhelm Teuwen

Albert Brülls (1937-2004)

Albert Brülls begann das Fußballspielen bei Viktoria Anrath und ging mit 15 Jahren zu Borussia Mönchengladbach. Dort absolvierte er zwischen 1955 und 1962 160 Oberligaspiele. Höhepunkt war der Sieg im Pokalfinale 1960.

1962 wechselte Brülls in die italienische Liga zum FC Modena und zum AC Brescia. Seine aktive Laufbahn beendete er als Spielertrainer: erst in der Schweiz bei Young Boys Bern, dann bis 1972 beim VFR Neuss.

Brülls spielte zwischen 1959 und 1966 25 mal in der Nationalmannschaft und erzielte dabei neun Tore. Sein Debüt gab er 1959 beim 4:0 gegen die Schweiz, wobei ihm direkt ein Treffer gelang. Höhepunkt seiner internationalen Karriere waren die Teilnahme an den Fußball-Weltmeisterschaften 1962 in Chile und 1966 in England.

Nach Abschluss seiner Spielerlaufbahn war Brülls Trainer bei VFR Neuss, Fortuna Mönchengladbach und Rot-Weiß Venn.

Norbert Koof (geb. 1955)

Der auf dem Rittergut Broich aufgewachsene Springreiter Norbert Koof machte erstmals mit dem Gewinn zweier Bronzemedaillen bei der Junioren-EM 1973 auf sich aufmerksam. Drei Jahre später nahm er erstmals an einem Nationenpreis teil.

Den Durchbruch schaffte er 1977, als er mit der deutschen Equipe bei der Europameisterschaft in Wien die Bronzemedaille gewann.

1981 wurde Norbert Koof mit der deutschen Equipe in München Europameister. Der große Wurf gelang ihm ein Jahr später, als er am 13.Juni in Dublin auf dem neunjährigen Wallach “Fire” Weltmeister wurde. Koof wurde sowohl 1981 als auch 1982 zum Willicher Sportler des Jahres gewählt.

1984 gehörte er zur deutschen Equipe für die Olympischen Spiele, konnte dort aber wegen einer Verletzung von “Fire” nicht starten.

1994 verunglückte er bei einem Reitunfall schwer und ist seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen. Er orientierte sich beruflich neu und baute seine Reitanlage zu einem Ausbildungszentrum für Reiter und Pferde aus.
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